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Neue UEFA-Menschenrechtsstrategie mangelhaft

Sport & Rights Alliance will von Liste konsultierter Organisationen gestrichen werden

Der Pokal der Fußball-Europameisterschaft 2024 (UEFA 2024) steht im Olympiastadion in Berlin, Deutschland, 5. Oktober 2021. © 2021 Alexander Hassenstein/picture-alliance/dpa/AP Images

(Nyon, Schweiz) – Die Union der Europäischen Fußballverbände (UEFA) sollte ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden und dringend die Lücken und Widersprüche in ihrer gestern veröffentlichten neuen Strategie für nachhaltigen Fußball 2030 beheben, so die Sport & Rights Alliance. Die Strategie wurde vom UEFA-Exekutivkomitee genehmigt, nachdem dieses im Rahmen eines mangelhaften Konsultationsprozesses mit Interessengruppen Empfehlungen eingeholt hatte.

Die Strategie lässt die in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte festgeschriebene Pflicht der UEFA außer Acht, Menschenrechtsverletzungen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit zu verhindern, anzugehen und zu beheben, und stellt Menschenrechte stattdessen ausschließlich als eine Angelegenheit der Öffentlichkeitsarbeit dar.

„Unabhängig davon, was die UEFA behauptet, wurde ihre Menschenrechtsstrategie nicht auf Grundlage eines legitimen Konsultationsprozesses entwickelt und entspricht nicht internationalen oder europäischen Standards“, sagte Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch. „Die Konsultation von Interessengruppen ist ein zentrales Element bei der Erarbeitung von Menschenrechtsrichtlinien. Nicht zuzuhören, wenn schwere Menschenrechtsrisiken drohen, bedeutet, solche Herausforderungen schwerlich bewältigen zu können. Wenn man nicht weiß, wo es Probleme gibt, hat man ein Problem.“

Das Finale der UEFA Champions League 2022 wird in Sankt Petersburg, Russland, ausgetragen, das Endspiel 2023 in Istanbul, Türkei, und das Finale der UEFA Europa League 2023 in Budapest. Die heute angekündigte Menschenrechtsstrategie der UEFA lässt die Frage unbeantwortet, wie die Pressefreiheit und der Schutz von Journalist*innen sichergestellt werden sollen.

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hat im Juni 2021 berichtet, dass die UEFA mindestens sechs Journalist*innen, die über die UEFA-Fußball-Europameisterschaft 2020 berichten wollten, die Akkreditierung verweigert hat. Sie begründete das damit, dass die Journalist*innen die Anforderungen der Hintergrundüberprüfungen durch russische und aserbaidschanische Behörden nicht erfüllt hätten. Unter Druck hat die UEFA später zwei dieser Entscheidungen zurückgenommen.

„Wenn die UEFA die Austragung von Turnieren in Ländern in Erwägung zieht, die regelmäßig freie Medien unterdrücken, muss dieses Risiko bei der Planung berücksichtigt und angegangen werden“, sagte Tom Gibson, EU-Beauftragter des CPJ. „Die Pressefreiheit ist absolut unerlässlich für eine vollständige, unabhängige Bewertung der Auswirkungen der Aktivitäten der UEFA. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind unmöglich, wenn Aktivisten und Journalisten verhaftet oder an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden.“

Die Sport & Rights Alliance hat während der Erarbeitung der Menschenrechtsstrategie der UEFA mehrfach Bedenken geäußert, und zwar sowohl im Hinblick auf die fehlende Einbeziehung von potenziell betroffenen Interessengruppen als auch auf gefährliche Unterlassungen in ihrem Vorgehen, etwa die Entscheidung, betroffene Gruppen nicht zu konsultieren, darunter Athlet*innengewerkschaften, die LGBTQI-Community, Arbeitnehmer*innen, Fans und Journalist*innen. Da der Erarbeitungsprozess weder transparent war, noch die Meinung der am stärksten von den Handlungen der UEFA betroffenen Personen einbezogen wurde, hält die Sport & Rights Alliance ihn nicht für legitim und hat gefordert, von der Liste der teilnehmenden Organisationen gestrichen zu werden.

„Tausende von Arbeitnehmern sind von der UEFA und ihren Veranstaltungen abhängig, von Lieferketten, die UEFA-Merchandise-Artikel liefern, bis hin zum Personal bei den Veranstaltungen selbst“, sagte Tim Noonan, Direktor für Kampagnen und Kommunikation beim Internationalen Gewerkschaftsbund. „Mit Blick auf die fehlende Konsultation und das mangelnde Engagement der UEFA bleibt kaum Hoffnung, dass die Grundrechte dieser Arbeiter respektiert werden.“

Der weltweite Verband der Profi-Fußballspieler*innen FIFPRO wurde ebenso wenig konsultiert wie Gewerkschaften oder Arbeitnehmer*innenvertretungen. In der grafischen Darstellung des „Fußball-Ökosystems“ in der Strategie tauchen Arbeitnehmer*innen nicht als einer der Hauptakteure auf.

Die UEFA ist Mitglied des Beratungsgremiums im Centre for Sport & Human Rights und hat sich verpflichtet, die Sporting-Chance-Prinzipien umzusetzen, zu denen auch die Verpflichtung gehört, den von Sport-Events Betroffenen durch eine sinnvolle und kontinuierliche Beteiligung eine Stimme bei der Entscheidungsfindung zu geben.

Nachdem sich die UEFA zuvor zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hatte, ist ihre neue Strategie ein bedeutender Schritt zurück. Stattdessen sollte sie auf den Fortschritten aufbauen, die mit der Aufnahme von Menschenrechtskriterien in den Bewerbungsprozess für die UEFA EURO 2024 gemacht wurden. Die UEFA hat bisher auch nicht geklärt, ob Menschenrechtskriterien auch bei der UEFA EURO 2028 Teil des Bewerbungsverfahrens sein werden.

Die Sport & Rights Alliance brachte in verschiedenen Schreiben an die UEFA vom 7. September, 18. Oktober und 30. November 2021 ihre Besorgnis über die mangelnde Transparenz und das Fehlen notwendiger Informationen für einen umfassenden Konsultationsprozess zum Ausdruck. Die UEFA erklärte in einer Antwort, dass es aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen sei, die gesamte Menschenrechtsstrategie zu thematisieren.

„Ohne Fans, Spieler, Journalisten, Arbeitnehmer und andere Interessengruppen gibt es kein UEFA-Turnier“, sagte Andrea Florence, stellvertretende Direktorin der Sport & Rights Alliance. „Das sind keine Gruppen, die man bei der vorgeblichen Erarbeitung einer Menschenrechtsstrategie einfach ignorieren kann. Ein Ergebnis, das die Menschenrechte respektiert, kann nur durch einen Prozess erreicht werden, der die Menschenrechte wirklich achtet. Die Konsultation von Menschen, die von den Aktivitäten der UEFA betroffen sein könnten, darf nicht lediglich als Liste zum Abhaken betrachtet werden, sondern muss stattdessen ein kontinuierlicher Prozess sein, der auf Offenheit und Transparenz beruht. Leider ist das nicht das, was wir bei der UEFA beobachtet haben.“

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