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Polizisten vor den Maskottchen früherer Olympischer Winterspiele, Shougang Park, Peking, 21. Januar 2022.   © 2022 AP Photo/Ng Han Guan

(New York) - Die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking werden inmitten von Gräueltaten und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung eröffnet, 243 erklärten heute Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt. Die Gruppen forderten die Regierungen auf, sich einem diplomatischen Boykott der Spiele anzuschließen, die am 4. Februar 2022 beginnen sollen. Weiterhin fordern die Gruppen Athlet*innen und Sponsoren dazu auf, die Menschenrechtsverletzungen der Regierung nicht zu legitimieren.

„Olympische Spiele können keine ‚positive Kraft‘ entfalten, wie das Internationale Olympische Komitee behauptet, wenn die Regierung des Gastgeberlandes schwere Verbrechen begeht und gegen internationales Recht verstößt“, sagte Sophie Richardson, China-Direktorin bei Human Rights Watch.

Unter Präsident Xi Jinping haben die chinesischen Behörden massive Übergriffe gegen Uigur*innen, Tibeter*innen, andere ethnische Gruppen und Anhänger*innen aller unabhängigen Glaubensrichtungen verübt. Sie haben die unabhängige Zivilgesellschaft quasi abgeschafft, indem sie Menschenrechtsaktivist*innen, Feminist*innen, Rechtsanwält*innen, Journalist*innen und andere verfolgten. Die Regierung hat die einst blühende Zivilgesellschaft in Hongkong ausgehöhlt, die technologiegestützte Überwachung ausgeweitet, um das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung erheblich einzuschränken, und den Einsatz von Zwangsarbeit unter Verletzung des Völkerrechts zugelassen.

Die chinesischen Behörden bedrohen auch weiterhin Mitglieder von Diaspora-Gemeinschaften, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Unternehmen jenseits der Grenzen Chinas durch eine ausgeklügelte Kampagne transnationaler Unterdrückung.

„Dass die Olympischen Winterspiele in Peking stattfinden, ist ein Signal an die Welt, dass die Regierung von Xi Jinping unproblematisch ist“, sagte Renee Xia, Direktorin von Chinese Human Rights Defenders. „Wenn die Welt eine solche katastrophale Menschenrechtssituation ignoriert, wird es für die Opfer noch schwieriger, für Gerechtigkeit zu kämpfen."

Seit die chinesische Regierung 2015 den Zuschlag für die Winterspiele 2022 erhalten hat, haben Nichtregierungsorganisationen und Medien zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden dokumentiert. Dazu gehören:

  • Willkürliche Inhaftierung, Folter und Zwangsarbeit von Millionen von Uigur*innen und anderer turkstämmiger Menschen in Xinjiang (der Region der Uiguren);
  • Dezimierung der unabhängigen Medien, der demokratischen Institutionen und der Rechtsstaatlichkeit in Hongkong;
  • Nutzung von Hightech-Überwachungssystemen, die es den Behörden ermöglichen, ungerechtfertigt friedliches Verhalten zu verfolgen, einschließlich der über Apps wie WeChat geteilten Kritik;
  • Verfolgung von Personen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigung im Namen schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen wahrnehmen, darunter die Rechtsanwälte Xu Zhiyong und Ding Jiaxi, der Journalist Zhang Zhan, der tibetische Mönch und Schriftsteller Go Sherab Gyatso sowie Aktivist*innen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die als Changsha Funeng-Gruppe bekannt sind;
  • Willkürliche Inhaftierung, Folter und gewaltsames Verschwindenlassen von Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter Gao Zhisheng und Guo Feixiong


„Auch spektakuläre Olympische Spiele können nicht über Völkermord hinwegtäuschen“,  sagte Omer Kanat, Geschäftsführer des Uyghur Human Rights Project. „Wie kann irgendjemand ernsthaft glauben, dass es dieses Jahr in Peking überhaupt möglich ist, internationale Freundschaft und ‚olympische Werte‘ zu feiern.“

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat erklärt, dass seine 2017 verkündeten Menschenrechtsverpflichtungen nicht für die Winterspiele 2022 gelten. Das IOC sei seiner Verantwortung im Rahmen der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte nicht nachgekommen, da es trotz der gut dokumentierten Menschenrechtsverletzungen in China keine entsprechende Sorgfaltsprüfung durchgeführt habe, so die Gruppen.

Auch in anderer Hinsicht hat das IOC gezeigt, dass sein erklärtes Engagement für die Menschenrechte wenig eher ein Lippenbekenntnis ist. IOC-Präsident Thomas Bach beteiligte sich an einer Propagandakampagne der chinesischen Regierung, um die Anschuldigungen der dreimaligen Olympiateilnehmerin Peng Shuai wegen sexueller Übergriffe zu beschönigen. Das IOC war nicht bereit, sich mit der Koalition End Uyghur Forced Labor (EUFL) zu treffen, und zeigte sich in Uniformen, die in China mutmaßlich unter Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden.

„Das IOC behauptet, Sport und Politik würden nicht vermischt, aber die chinesische Regierung hat bereits die Olympischen Spiele 2008 in Peking für ihre politischen Interessen benutzt“, sagte Bhuchung K. Tsering, Interimspräsident der International Campaign for Tibet. „Die Menschen in Tibet haben damals das Risiko auf sich genommen, die Welt darüber zu informieren, aber das IOC hat sie nicht beachtet. Die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking sind eine einmalige Gelegenheit für das IOC und die Regierungen, die Athlet*innen zu unterstützen und die chinesischen Behörden zu drängen, sich an die internationalen Menschenrechtsnormen zu halten.“

Die wichtigsten Sponsoren der Spiele – Unternehmen wie Airbnb, Alibaba, Allianz, Atos, Bridgestone, Coca-Cola, Intel, Omega, Panasonic, P&G, Samsung, Toyota und Visa - sind ihrer Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte ebenfalls nicht nachgekommen. Die Unternehmen haben sich nicht konkret öffentlich geäußert zu Bedenken, dass ihr Sponsoring zu Menschenrechtsverletzungen führt oder diese fördert. Ebenso wenig haben sie sich dazu geäußert, ob Maßnahmen ergriffen wurden, um Menschenrechtsverletzungen abzumildern. Die Sponsoren sollten unverzüglich ihre Strategien zur Prüfung der Einhaltung der Menschenrechte offenlegen oder erklären, warum solche Prüfungen nicht erfolgt sind, so die Gruppen.

Mehrere Regierungen, darunter Australien, Kanada, Japan, Litauen, Großbritannien und die USA, haben als Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung einen diplomatischen Boykott der Spiele angekündigt. Sie werden keine hochrangigen Vertreter*innen zu den Eröffnungs- und Abschlussfeierlichkeiten entsenden - eine langjährige olympische Tradition. Alle Regierungen, ob sie sich dem diplomatischen Boykott anschließen oder nicht, sollten die Gelegenheit nutzen, um nicht nur die an den Spielen teilnehmenden Athlet*innen zu unterstützen, sondern  auch Menschenrechtsverteidiger*innen in ganz China.

„Wir fordern die Regierungen auf, sich mit inhaftierten Menschenrechtsverteidiger*innen zu solidarisieren, die einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie sich für Reformen einsetzen, die Rechte anderer verteidigen oder einfach nur darüber diskutieren, wie die Zivilgesellschaft in China gestärkt werden kann“, sagte Sharon Hom, Geschäftsführerin von Human Rights in China.

Auch die Teilnehmer*innen der Olympischen Spiele selbst sind einer Reihe von Menschenrechtsrisiken ausgesetzt, so die Gruppen. Die IOC-Regeln verbieten es den Athlet*innen, sich auf dem olympischen Podium öffentlich zu den Menschenrechten in China zu äußern, und die Repressalien der chinesischen Behörden gegen Kritiker*innn schrecken Athlet*innen weltweit ab. Die Bereitschaft der chinesischen Regierung, Menschen aus dem Ausland - wie den schwedischen Verleger Gui Minhai - wegen friedlicher Kritik willkürlich zu inhaftieren, schränkt die Meinungsfreiheit weiter ein. Olympische Athlet*innen, Trainer*innen und andere Beteiligte werden wahrscheinlich auch einer umfassenden staatlichen Überwachung ausgesetzt sein, insbesondere einer Überwachung der digitalen Kommunikation.

„Athlet*innen, die für die olympischen Ideale eintreten, sollten sich nicht der allgegenwärtigen Überwachung, der Unterdrückung der Rede- und Glaubensfreiheit und einer unsicheren Menschenrechtslage aussetzen müssen, um an den Spielen teilzunehmen“, sagte Bob Fu, Präsident von ChinaAid.

Zuschauer*innen auf der ganzen Welt, die die Winterspiele verfolgen, können einen positiven Beitrag leisten, indem sie sich über die Menschenrechtslage in China informieren und Maßnahmen ergreifen.  die vom Kauf von Produkten, die nicht in Zwangsarbeit hergestellt wurden, bis hin zur Aufforderung an ihre eigenen Regierungen reichen, chinesische Regierungsvertreter*innen, die für die schlimmsten internationalen Verbrechen verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen. Die Menschen können Unternehmen dazu auffordern, den Aufruf der EUFL-Koalition zum Handeln zu unterzeichnen.

„Die Gräueltaten der chinesischen Regierung und die anhaltende Straflosigkeit sollten das IOC, die Sponsoren und andere, die mit den Olympischen Spielen in Verbindung stehen, dazu bringen, sich zu fragen, ob diese Spiele schwere Menschenrechtsverletzungen legitimieren und fördern“, sagte Dolkun Isa, Präsident des Uigurischen Weltkongresses. „Solche Spiele kann niemand ernsthaft wollen.“

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