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Rohingya refugees go about their day outside their temporary shelters along a road in Kutupalong, Bangladesh, September 9, 2017.    © 2017 Danish Siddiqui/Reuters

(New York, 11. September 2017) – Die Vereinten Nationen (UN), andere multilaterale Organisationen und einzelne Staaten sollen die burmesische Regierung dazu drängen, unverzüglich Hilfe für die stark gefährdete, muslimische Bevölkerungsgruppe der Rohingya in Rakhine-Staat zuzulassen, so Human Rights Watch heute. Sie sollen auch gewährleisten, dass angemessene Hilfe für die mehr als 270.000 Rohingya und andere Personen zur Verfügung gestellt wird, die in den vergangenen Monaten nach Bangladesch geflohen sind.

Das burmesische Militär führt eine menschenrechtswidrige Operation gegen die Rohingya durch, seit die militante Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) am 25. August 2017 Anschläge auf etwa 30 Polizeiposten und einen Armeestützpunkt verübte. Nicht nur in Bangladesch halten sich geflüchtete Rohingya auf, sondern es wurden auch Zehntausende innerhalb von Burma vertrieben. Etwa 12.000 weitere Personen, mehrheitlich Rakhine und andere nicht-muslimische Menschen, mussten ebenfalls aus ihren Wohnorten fliehen.

„Die humanitäre Katastrophe, die die burmesischen Sicherheitskräfte in Rakhine-Staat ausgelöst haben, verschlimmert sich um ein Vielfaches, weil die Behörden Hilfsorganisationen nicht in die Region lassen“, so Philippe Bolopion, stellvertretender Leiter der Advocavy-Abteilung von Human Rights Watch. „Die UN, ASEAN und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit müssen den Druck auf Burma massiv erhöhen und Bangladesch stärker unterstützen, damit den Rohingya und den anderen vertriebenen Menschen schnell geholfen werden kann.“

Nach Bangladesch geflüchtete Rohingya berichteten, dass burmesische Sicherheitskräfte bewaffnete Angriffe auf Dörfer verübt, den Bewohnern Schuss- und Splitterverletzungen zugefügt und ihre Häuser niedergebrannt haben. Die Tötungen, der Beschuss und die Brandanschläge deuten stark auf eine Operation zur „ethnischen Säuberung“ hin.

Maßnahmen der internationalen Hilfe wurden fast überall in Rakhine-Staat ausgesetzt. Schätzungsweise 250.000 Menschen haben keine Nahrung, medizinische Versorgung und andere grundlegende humanitäre Unterstützung. Flüchtlinge berichteten, dass zwar viele Menschen aus der Gemeinde Maungdaw nach Bangladesch entkommen konnten, dass sich aber viele vertriebene Rohingya noch immer im Umland der Gemeinden Rathedaung und Buthidaung verstecken.


Die Rohingya in Burma
 

Die burmesische Regierung betrachtet die Rohingya, die überwiegend im Norden von Rakhine-Staat leben, seit Jahrzehnten als Staatsbürger von Bangladesch. Knapp über eine Millionen Rohingya leben in Burma, sie stellen einen Großteil der relativ kleinen, muslimischen Minderheit im Land. Die Rohingya werden seit langem systematisch diskriminiert, eben weil sie unter dem Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Jahr 1982 von der burmesischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sind. Im Ergebnis sind die Rohingya eine der größten staatenlosen Bevölkerungsgruppen der Welt.

Weil die Rohingya keine Staatsangehörigkeit haben, belegen die burmesische Polizei und der Grenzschutz sie mit unzähligen, menschenrechtswidrigen Restriktionen. Gesetze, Richtlinien und Praktiken nehmen den Rohingya ihre Bewegungsfreiheit und das Recht, ihre Dörfer zu verlassen; schränken ihr Recht auf eine Existenzgrundlage ein; greifen in ihre Persönlichkeitsrechte ein, zu heiraten und Kinder zu haben; und verhindern, dass sie Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und zu Bildung haben.

Schon vor dem jüngsten Gewaltausbruch wiesen die Indikatoren für Nahrungssicherheit und die Zahl unterernährter Kinder in der Gemeinde Maungdaw deutlich auf eine Krisensituation hin, so das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UN (OCHA) in Burma. In Folge der staatlichen Restriktionen und der wiederholten Militäraktionen gegen Rohingya-Gemeinschaften, derentwegen unzählige Menschen vertrieben wurden, sind die heute betroffenen Personen schon lange abhängig von UN-Instanzen und internationalen Nichtregierungsorganisationen, die sie mit Nahrung und anderer Hilfe versorgen.

Zugleich nehmen die Feindseligkeiten gegen Hilfsorganisationen zu. Die Regierung wirft deren Mitarbeitern vor, Rohingya-Milizen zu unterstützen, da spezielle Zusatznahrung, die das Welternährungsprogramm ausgibt, im Juli 2017 in einem mutmaßlichen Milizen-Lager gefunden wurde. Berichten zufolge wurden einige Lager internationaler Hilfsorganisationen im September geplündert. Die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Europäischen Kommission berichtet, dass burmesische und internationale Mitarbeiter der UN und internationaler Nichtregierungsorganisationen eingeschüchtert wurden.

Die Rohingya in Bangladesch
 

Etwa 34.000 Rohingya sind in Bangladesch offiziell als Flüchtlinge registriert, schätzungsweise 300.00 bis 500.000 halten sich dort ohne Status auf. Etwa 87.000 weitere Personen kamen zwischen Oktober 2016 und März 2017 ins Land, nach Militäroperationen in Rakhine-Staat, die auf Anschläge der ARSA im Oktober folgten. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Bangladesch gehen davon aus, dass wegen der massiven staatlichen Gewalt seit der ARSA-Anschläge im August 2017 mehr als 300.000 neue Flüchtlinge ankommen werden.

Im Angesicht der aktuellen Krise lässt der Grenzschutz von Bangladesch Rohingya informell ins Land. Einige Beamte sagten gegenüber Human Rights Watch, dass sie sich darauf konzentrierten, denjenigen zu helfen, die aus dem staatlichen Niemandsland nach Bangladesch kommen, die Flüchtlinge mit Notrationen und medizinisch versorgten und sie dabei unterstützen, Zugang zu grundlegender Wasser- und Sanitärversorgung zu erhalten. Allerdings könnten sie denjenigen, die nicht über reguläre Grenzübergänge einreisen, nicht helfen.

Den Naf-Fluss während des Monsuns zu überqueren, ist sehr gefährlich. Grenzschützer und andere Quelle gehen davon aus, dass mehr als zwei Dutzend Personen bei dem Versuch ertrunken sind, die Grenze zu überqueren. Diejenigen, die es ans andere Ufer schaffen, können sich nur in behelfsmäßigen Zelten vor dem Dauerregen schützen. Die Krankenhäuser sind stark überfüllt. Angestellte im Gesundheitswesen befürchten, dass wegen der Überbelegung und der schlechten hygienischen Bedingungen Krankheiten ausbrechen werden.

Ein 17-jähriger, geflüchteter Rohingya, der mit einer Schusswunde im Arm in einem Krankenhaus in Bangladesch liegt, sagte, er wisse nicht, was nach seiner Entlassung aus ihm werden solle. Er habe „keine Familie, keine Freunde, keine Kontakte, und kein Geld in Bangladesch“. Grenzschützer berichteten, dass sie bereits zahllosen unbegleiteten Kindern begegnet sind, die sich bei ihrer überstürzten Flucht verirrt haben.

Einige Amtsträger in Bangladesch äußerteten, dass geflüchtete Rohingya nicht willkommen seien, und wiesen auf die schweren Monsun-Überschwemmungen in vielen Teilen des Landes hin. Seit dem Jahr 2016 schlagen die Behörden immer wieder vor, Rohingya, die sich ohne Papiere in Bangladesch aufhalten, auf ein unbewohnbares Atoll im Golf von Bengalen umzusiedeln.

In der Vergangenheit hat Bangladesch internationale Hilfe abgelehnt, aus Angst davor, dass dann noch mehr Rohingya ins Land kommen würden. Allerdings kommen jeden Tag Tausende an, obwohl es keine angemessene Nahrungsversorgung und Unterbringung gibt. Das verdeutlicht, dass die Menschen fliehen, um ihre Leben zu retten. Soweit Human Rights Watch dies feststellen konnte, sieht die Regierung weitestgehend davon ab, aus Burma flüchtende Personen zurückzudrängen. Aber auch deshalb, weil es nicht ausreichend internationale Unterstützung für Bangladesch gibt, sind die Bedingungen in den Grenzregionen schrecklich.

„Die humanitäre Lage in Burma und in Bangladesch wird sich weiter verschlechtern, so lang die burmesischen Sicherheitskräfte in Rakhine-Staat im großen Umfang Gräueltaten begehen“, so Bolopion. „Der UN-Sicherheitsrat soll eine öffentliche Notsitzung einberufen und die burmesischen Behörden dazu auffordern, die Gewalt gegen die Rohingya einzustellen und internationale Hilfe ins Land zu lassen. Andernfalls muss Burma mit Sanktionen belegt werden.“

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