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Griechenland: Asylsuchende und Migranten in Sicherheit bringen

Sofortige Entlastung der Hotspots notwendig, um COVID-19-Maßnahmen umzusetzen

Asylsuchende und Migranten im Camp Moria auf Lesbos, nachdem dort ein Feuer ausgebrochen war. 16. März 2020. © 2020 Manolis Lagoutaris/AFP via Getty Images

(Athen) – Die griechische Regierung soll die Anzahl der Menschen in den Aufnahme- und Identifizierungszentren (engl. Reception and Identification Centers, kurz: RICs) für Asylbewerber und Migranten auf den Inseln unverzüglich reduzieren, um eine Gesundheitskrise inmitten der Coronavirus-Pandemie zu verhindern, so die gemeinsame Forderung von 24 humanitären Organisationen und Menschrechtsorganisationen.

Tausende Menschen, darunter Ältere, Menschen mit chronischen Krankheiten, Kinder, auch sehr junge und unbegleitete Kinder, schwangere Frauen, junge Mütter und Menschen mit Behinderungen, sind auf den Inseln inmitten der COVID-19-Pandemie unter überfüllten, erbärmlichen Bedingungen gefangen. Die öffentliche Gesundheit darf keine Rechtfertigung dafür sein, dass Asylsuchende unter Bedingungen ausharren müssen, die ihre Rechte und Würde verletzen sowie ihr Wohlergehen und ihre Gesundheit gefährden.

Internationale Menschenrechtsstandards verlangen, dass die Gesundheitsbedürfnisse von Asylsuchenden und Migranten berücksichtigt werden und dass alle Einschränkungen ihrer Rechte aus Gründen der öffentlichen Gesundheit oder des nationalen Notstands im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie rechtmäßig, notwendig und verhältnismäßig sind und niemanden diskriminieren.

Am 17. März 2020 kündigte die griechische Regierung Maßnahmen an, um einen Corona-Ausbruchs in den RICs auf den Inseln, den so genannten „Hotspots“, zu verhindern. Diese besagen im Wesentlichen, die Lager abzuriegeln und Tausende Asylsuchende und Migranten gefangen zu halten. Alle besonderen Aktivitäten und Einrichtungen in den Lagern sollen ausgesetzt weden, einschließlich der provisorischen Schulen. Ferner darf niemand das Lager besuchen, das gilt auch für Mitglieder von Hilfsorganisationen, die wesentliche Unterstützung leisten. Dieses Besuchsverbot in den RICs soll für mindestens zwei Wochen gelten, so das Ministerium für Migration und Asyl. Die Menschen in den Lagern werden durch strikte Kontrollen daran gehindert, sich außerhalb der Einrichtungen aufzuhalten, auch um etwa Besorgungen zu erledigen. Ferner dürfen sie sich ohne triftigen Grund auch innerhalb der Einrichtungen nicht frei bewegen.

Am 22. März kündigte der griechische Premierminister eine landesweite Ausgangssperre an, durch die jegliche nicht notwendige Aktivität der Bürger verboten wird.

Am 22. März lag die Gesamtzahl der Menschen in den Hotspots auf Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros um fast 31.400 über der Kapazitätsgrenze. Diese liegt bei nur 6.095, derzeit befinden sich jedoch 37.427 Menschen in den Lagern. Unter den Bedingungen, die in den Zentren herrschen, ist kein menschenwürdiges Leben möglich. Der extrem eingeschränkte Zugang zu fließendem Wasser, Toiletten und Duschen, das stundenlange Schlange stehen für die Lebensmittelverteilung und zu wenig medizinisches Personal machen es unmöglich, die Richtlinien zum Schutz vor dem Coronavirus einzuhalten, wodurch die Menschen angesichts der wachsenden Gefahr einer weit verbreiteten Übertragung von COVID-19 einem deutlich erhöhten Risiko ausgesetzt sind.

Die griechische Regierung soll Maßnahmen ergreifen, um einen Ausbruch zu verhindern, und einen Reaktionsplan vorbereiten, der sofort in Kraft tritt, sobald der erste Fall von COVID-19 in einem Aufnahmezentrum entdeckt wird. Im Falle eines Ausbruchs würde eine Quarantäne, durch die Zehntausende gesunde Menschen gemeinsam mit COVID-19 Infizierten in den überfüllten Lagern eingesperrt würden, sowie der Mangel an ausreichender und angemessener medizinischer Vorbereitung dazu führen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zahlreiche Menschen unnötigerweise sterben würden.

Die griechische Regierung soll die unten aufgeführten Maßnahmen ergreifen, um das Risiko einer COVID-19-Infektion der Menschen in den Zentren zu reduzieren und allgemein zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung beizutragen:

  • Die Menschen sollen aus den Aufnahmezentren in geeignete, kleinere Einrichtungen auf dem Festland, z.B. in Hotels und Wohnungen, gebracht werden, wobei notwendige Vorkehrungen für eine sichere Umsiedlung getroffen werden sollen. Dies würde es der Regierung ermöglichen, die Richtlinien zur Eingrenzung des Coronavirus umzusetzen. Vorrang sollen hierbei ältere Menschen haben, sowie chronisch Kranke und Menschen mit schweren Vorerkrankungen, Menschen mit Behinderungen, Schwangere, junge Mütter und ihre Kinder sowie andere Kinder, auch unbegleitete. Die Unterbringung von Menschen mit Behinderungen soll je nach Bedarf entsprechend angepasst werden, wobei die individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden sollen. Geeignete Unterkünfte für unbegleitete Kinder sollen unverzüglich eingerichtet werden.
  • Es soll der allgemeine und ungehinderte freie Zugang zu medizinischer Versorgung im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems für Asylsuchende, Flüchtlinge und Migranten gleichermaßen ohne Diskriminierung, einschließlich Tests auf COVID-19 und ggf. die Behandlung, gewährleistet werden. Diese Gruppen sollen, wie die Menschen im übrigen Griechenland, auch Zugang zu allen Präventivmaßnahmen haben, die in Griechenland als Reaktion auf das neue Coronavirus eingeführt wurden. Asylsuchende sollen unverzüglich ihre vorläufige Versicherungs- und Gesundheitsversorgungsnummer (PAAYPA) erhalten, wie im Gemeinsamen Ministerialbeschluss 717.2020 vorgeschrieben.
  • Die Aufnahmezentren sollen mit angemessenen Sanitär- und Hygieneprodukten ausgestattet werden und es soll eine kontinuierliche Versorgung mit fließendem Wasser sichergestellt werden, damit die Menschen die Richtlinien der nationalen Gesundheitsorganisation und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Schutz vor COVID-19 einhalten können. Gemeinschaftsräume, Waschräume und Toiletten sollen fortlaufend desinfiziert werden. Ebenso sollen Abfälle rechtzeitig gesammelt und entsorgt werden.
  • Alle Menschen in den Aufnahmezentren sollen darüber informiert werden, wie (a) eine Ansteckung mit dem Virus verhindert werden kann und (b) was zu tun ist und wie man Hilfe erhält, sollten Symptome von COVID-19 auftreten. Diese Informationen sollen in verschiedenen Sprachen, auch in selten gesprochenen, zur Verfügung gestellt werden. Menschen mit Behinderungen sollen Informationen in zugänglichen Formaten erhalten, z.B. in Form von Gebärdensprache, Bildunterschriften, Text und leicht lesbaren Mitteilungen. Es soll sichergestellt werden, dass die erforderlichen Maßnahmen wie Selbstisolierung und Quarantänezonen umgesetzt werden können. Auch soll medizinisches Personal mit entsprechender Ausbildung und Schutzausrüstung zur Verfügung stehen.
  • Es soll dringend auf die Situation und die besonderen Bedürfnisse der Menschen eingegangen werden, die in den provisorischen Siedlungen leben, welche an die Lager angrenzen. Die Menschen in diesen Siedlungen könnten aufgrund des unzureichenden Zugangs zu Wasser und sanitären Einrichtungen, Hygieneprodukten und Müllentsorgung vor zusätzlichen Herausforderungen stehen.
  • Bis zur Entlastung der Aufnahmezentren soll sichergestellt werden, dass diese über ausreichend medizinisches Personal verfügen, sowie über Möglichkeiten zur psychologische Beratung. Diese Versorgung könnte, wo möglich, auch aus der Ferne erfolgen.

Unterzeichnende Organisationen:

Action Aid Hellas
Amnesty International
ARSIS – Association for the Social Support of Youth
Defence for Children International Greece
Greek Forum of Refugees
Help Refugees/Choose love
HIAS Greece
HumanRights360
Human Rights Watch
International Rescue Committee
Islamic Relief USA
Jesuit Refugee Service Greece (JRS Greece)
Legal Centre Lesvos
Médecins du Monde – Greece (MdM-Greece)
Network for Children's Rights
Praksis
Refugee Legal Support
Refugee Rights Europe
Refugee Support Aegean
Solidarity Now
Stichting Vluchteling
Safe Passage International
Terre des hommes Hellas

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