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Deutschland: Neue Überwachungsgesetze erlauben Einsatz von Staatstrojanern

Bundespolizei und Verfassungsschutz wollen Spionagesoftware einsetzen, um Handys und Computer zu infiltrieren

Die Logos der Messenger-Apps WhatsApp, Telegram und Threema auf dem Bildschirm eines Smartphones am 28. April 2021 in Berlin, Deutschland.   © 2021 Fabian Sommer/picture-alliance/dpa/AP Images

Der Bundestag hat am 10. Juni zwei Gesetzesänderungen beschlossen, die der Bundespolizei und dem Verfassungsschutz erweiterte Überwachungsmöglichkeiten einräumen. Sie erlauben den Einsatz von sogenannten Staatstrojanern, also Spionagesoftware, um Handys und Computer zu hacken und die Verschlüsselung von Messaging-Anwendungen wie WhatsApp und Signal zu umgehen. Das weckt Bedenken hinsichtlich des Rechts auf Privatsphäre.

Das neue Bundespolizeigesetz erlaubt den Beamt*innen auch „präventive Telekommunikationsüberwachung“ und gegen Personen, „gegen die noch kein Tatverdacht begründet ist und daher noch keine strafprozessuale Maßnahme (…) angeordnet werden kann.“ Der nach internationalem Recht notwendige Schutz vor ungerechtfertigten und willkürlichen Eingriffen in die Privatsphäre ist dadurch nicht gewährleistet. Human Rights Watch und die Vereinten Nationen haben bereits in der Vergangenheit auf die Wichtigkeit von Verschlüsselung und Anonymität für den Datenschutz und das Recht auf Privatsphäre hingewiesen.

Die Bundesregierung argumentiert, dass die neue Gesetzgebung notwendig sei, um mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Sie behauptet, dass die neuen Befugnisse der Bundespolizei helfen sollen, das Schleusen von Migrant*innen zu bekämpfen.

Dass derzeit mehrere Abteilungen der Polizei und des Verfassungsschutzes mit Vorwürfen der Unterwanderung durch Rechtsextreme konfrontiert sind, macht Datenschutzbedenken in diesem Anwendungsbereich noch heikler. Seit 2018 sind die Inhalte mehrerer rassistischer Chatgruppen unter Polizist*innen öffentlich geworden, was das Land Hessen erst diesen Monat dazu veranlasste, eine seiner Eliteeinheiten in Frankfurt aufzulösen. Seit 2018 wurden Privatadressen von Personen des öffentlichen Lebens, die sich gegen Rassismus aussprechen, von Polizeicomputern abgerufen, was zu direkten Drohungen führte – gezeichnet mit dem Absender NSU 2.0. Wenn der Polizei im Namen der Migrationsbekämpfung ein noch größerer Zugriff auf private Informationen erlaubt wird, erhöht sich dadurch das Missbrauchsrisiko.

2008 hat das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von Spionagesoftware untersagt, indem es ein „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ definierte. Aber seitdem erweitert die Regierung stetig die Grenzen der Überwachung. Ein Gesetz aus dem Jahr 2017, das den Einsatz von Staatstrojanern durch andere Behörden erlaubt, wird derzeit vom Verfassungsgericht überprüft.

Indem sie Sicherheitslücken in Geräten missbraucht, um Spionagesoftware einzuschleusen, macht die Bundesregierung digitale Kommunikation unsicherer – und anfälliger für alle Angriffe. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Oppositionsparteien und sogar führende Mitglieder der Regierungskoalition haben die neuen Gesetze öffentlich verurteilt. Die Regierung sollte sie stoppen, bevor sie in Kraft treten und so verhindern, dass digitale Kommunikation die Rechte der Nutzer*innen gefährdet.

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