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Notlage einer belarussischen Sprinterin verdeutlicht olympisches Scheitern

Internationales Olympisches Komitee sollte Menschenrechts-Leitlinie verabschieden

Kristina Timanowskaja aus Weißrussland läuft im 100-Meter-Rennen der Frauen bei den Olympischen Sommerspielen, Freitag, 30. Juli 2021. © 2021 AP Photo/Martin Meissner

Am Sonntag weigerte sich die belarussische Leichtathletin Kristina Timanowskaja, sich unter Zwang von Regierungsbehörden von den Olympischen Spielen nach Belarus zurückbringen zu lassen. Sie suchte stattdessen Schutz auf dem internationalen Flughafen von Tokio. Berichten zufolge wurde ihr inzwischen Asyl in Polen angeboten.

Timanowskaja, eine 200-Meter-Sprinterin, sagte, sie habe um ihre Sicherheit in Belarus gefürchtet, nachdem sie ihre Trainer in einem Instagram-Post kritisiert hatte, weil diese sie ohne, sie zu fragen, für die 4x100m-Staffel angemeldet hatten – eine Disziplin, für die sie nie trainiert hatte. Ihr Schicksal ist ein krasses Beispiel dafür, dass Politik und Menschenrechtsverletzungen nicht vom Sport getrennt werden können. Es zeigt, wie nationale olympische Systeme rechteverletzende Regierungen unterstützen können. 

Seit einer beispiellosen Welle weitgehend friedlicher Massenproteste nach den umstrittenen belarussischen Präsidentschaftswahlen vom 9. August, wurden in Belarus Sportler*innen – ebenso wie Demonstrierende, Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und politische Oppositionelle – schikaniert und inhaftiert. Nach der Wahl blieb der autokratische Präsident Alexander Lukaschenko, der das Land seit 1994 regiert, an der Macht.

Im April erstatteten die Behörden außerdem eine fingierte Strafanzeige gegen den Belarussischen Sport-Solidaritätsfonds, eine unabhängige Gruppe, die Sportler*innen in Belarus verteidigt, denen Repressalien durch die Regierung drohen.

In Belarus ist der Sport ein wichtiges Mittel der Regierung, um die Bevölkerung zu kontrollieren – durch die Ausrichtung von Propaganda-Veranstaltungen wie den Europäischen Olympischen Spielen oder dadurch, dass die Sportler*innen sich hinter die politische Führung stellen müssen. Lukaschenko selbst stand 23 Jahre lang an der Spitze des Nationalen Olympischen Komitees von Belarus, und obwohl er im Februar zum Rücktritt gezwungen wurde, trat sein Sohn Viktor an seine Stelle.

Die langjährige Kontrolle der Lukaschenkos über das Nationale Olympische Komitee bedeutet, dass das olympische Sportsystem genutzt wird, um Sportler*innen in und aus Belarus einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC), der Weltverband, der die Olympischen Spiele leitet, hat 2020 eine Menschenrechtsstrategie veröffentlicht. Doch angesichts der in sechs Monaten bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Peking, die von schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt sind, hat es diese Strategie nicht umgesetzt.

Eine Menschenrechtspolitik ist jedoch notwendig, um alle Arten von Übergriffen auf Athlet*innen zu bekämpfen, sowohl durch Trainer als auch durch Verbandsfunktionäre. Sportlerinnen wie Timanowskaja treten ihre Menschenrechte nicht ab, wenn sie zur Wettkämpferin werden. Dazu gehören auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Personenfreizügigkeit. 

Das IOC sollte aufhören zu behaupten, die Olympischen Spiele seien unpolitisch – diese Behauptung kann Sportler*innen in Gefahr bringen. Es sollte dringend Menschenrechtsreformen verabschieden und die Menschenrechte in die Olympische Charta aufnehmen, um Regierungen davon abzuhalten, Athlet*innen einem Druck auszusetzen, den niemand jemals ertragen sollte.

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