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Schüler*innen in einem Vorschulklassenzimmer in Taschkent, Usbekistan, 2021. © 2021 Bede Sheppard / Human Rights Watch

Die Weihnachtsferien sind vorbei und in Luxemburg müssen die Kinder diese Woche wieder zur Schule. Das ist ein guter Anlass, um darüber nachzudenken, wie allen Kindern auf der Welt eine Schulbildung ermöglicht werden kann.

Seit 1948 das Recht auf Bildung für alle in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert wurde, hat es großartige Fortschritte gegeben. Während 1950 noch weniger als die Hälfte der Kinder im Alter von 5 bis 14 Jahren überhaupt eine Schule besuchten, gehen heute rund 90 Prozent aller Kinder zur Grundschule.

Betrachten wir jedoch die Zeit vor und nach der Grundschule, trübt sich das Bild. Etwa ein Drittel der Kinder weltweit schafft es nicht bis zu einer weiterführenden Schule, und mehr als die Hälfte schließt sie nicht ab. Fast die Hälfte der Kinder weltweit erhält keine Förderung im Vorschulalter. In der EU ist Frankreich das Vorzeigeland, wo 99,5 Prozent der Kinder eine Vorschulförderung erhalten. Kroatien hat mit 97 Prozent die höchste Abschlussquote in der Sekundarstufe.

Viele Eltern können es sich nicht leisten, ihre Kinder in die Vor- und Sekundarschule zu schicken. Human Rights Watch hat Kinder und Eltern in ganz Afrika, Asien und dem Nahen Osten befragt, denen nach eigenen Angaben die Mittel fehlen, das Schulgeld oder andere Schulgebühren zu bezahlen.

Nach den internationalen Menschenrechtsnormen haben Kinder das Recht auf eine kostenlose Grundschulbildung. Der Fokus auf die Grundschulbildung geht auf die Zeit zwischen den 1960er und 1980er Jahren zurück, als verschiedene Verträge verfasst wurden. Jahrzehntelange Forschung und Alltagserfahrungen zeigen jedoch, dass die Grundschule allein nicht ausreicht, um Kindern alle Chancen auf eine gute Entwicklung zu bieten.

Eine Anpassung des internationalen Rechts an die heutigen Gegebenheiten durch einen Vertrag, der allen Kindern ausdrücklich kostenlose Bildung von der Vorschule bis zur weiterführenden Schule garantiert, würde den Fortschritt auf globaler Ebene beschleunigen. Außerdem würde ein solcher Vertrag die internationale Aufmerksamkeit auf den Abbau eines der größten Hemmnisse im Bildungsbereich lenken. Die Unterstützung aller EU-Länder wäre ein gewichtiger erster Schritt dahin.

Die Entwicklung des Gehirns vollzieht sich in den ersten Lebensjahren am schnellsten. Deshalb sollten Kinder vor allem in dieser Phase gefördert werden. Eine qualitativ hochwertige Vorschulbildung wirkt sich langfristig positiv auf die kognitive und soziale Entwicklung sowie die Gesundheit von Kindern aus. Die Vorschule bereitet Kinder optimal auf die Grundschule und ihren späteren Bildungsweg vor. Sie stellt sicher, dass Kinder mit Behinderungen von Anfang an in den Unterricht einbezogen und unterstützt werden, fördert ihre Einschulung und baut diskriminierende Einstellungen ihnen gegenüber ab. Die Vorschulförderung verringert außerdem die Ungleichheiten zwischen Kindern aus unterschiedlichen Einkommensschichten.

Die Sekundarschulbildung, einschließlich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, vermittelt Jugendlichen ein breiteres Spektrum an Fachkenntnissen und Fähigkeiten, die für ihre Zukunft von entscheidender Bedeutung sind. Dazu zählen auch realistische Beschäftigungsmöglichkeiten und die Vorbereitung auf das Erwachsenenleben. Kinder mit einer guten Sekundarschulbildung finden als Erwachsene eher einen Job, verdienen mehr und rutschen seltener in die Armut ab oder können häufiger aus einem Leben in Armut herausfinden. Es ist wahrscheinlicher, dass sie sich gesünder ernähren, medizinische Versorgung in Anspruch nehmen, eine bessere psychische Gesundheit haben und seltener ungewollt schwanger werden. Die Sekundarschulbildung fördert die politische Teilhabe, verringert Ausgrenzung und befähigt Kinder, moderne Technologien zu nutzen. Sicherzustellen, dass Kinder eine weiterführende Schule besuchen beziehungsweise dort bleiben, kann dabei helfen, Kinderarbeit, Kinderheirat und die Rekrutierung von Kindern durch bewaffnete Gruppen zu verhindern.

Eine fehlende kostenlose Vorschul- und Sekundarschulbildung führt zu einer unverhältnismäßig starken Benachteiligung von Mädchen und Frauen. Viele Eltern, die nur über begrenzte Mittel verfügen, stehen unter gesellschaftlichem Druck, ihren Söhnen den Vorzug vor ihren Töchtern zu geben, weshalb es dann vor allem die Mädchen sind, denen die Sekundarschule verwehrt bleibt. Der Ausschluss der Kinder von der Vorschule hindert Elternteile – überwiegend die Mütter – daran, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen oder anderweitig am öffentlichen Leben teilzunehmen.

Für Staaten geht die Ausweitung der kostenlosen und öffentlichen Vorschul- und Sekundarschulbildung mit erheblichen Kosten einher, Bildungsinvestitionen sind allerdings von enormem gesellschaftlichem Nutzen und tragen zum Wirtschaftswachstum bei, so dass sie sich um ein Vielfaches auszahlen. Zahlreiche Staaten mit geringem oder niedrigem mittlerem Einkommen haben in letzter Zeit die kostenlose oder obligatorische Vorschulbildung ausgeweitet, darunter die Komoren, der Libanon, Madagaskar, die Mongolei, Nepal, Sierra Leone, Tadschikistan und Usbekistan.

Dennoch werden einige Länder internationale Hilfe benötigen. Schätzungen der UNO zufolge könnte die Finanzierungslücke für eine kostenlose Bildung von der Vorschule bis zur Sekundarstufe geschlossen werden, wenn 40 Länder mit hohem Einkommen ihren Verpflichtungen nachkämen. Dazu zählt, mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Leistungen zur Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Entwicklungsländern einzusetzen, wie es Luxemburg bereits tut, und 10 Prozent dieser Mittel für Bildung bereitzustellen.

Im vergangenen Jahr wurden einige Fortschritte erzielt. Eine Gruppe von 73 Ländern schloss sich im UN-Menschenrechtsrat einer von Luxemburg und der Dominikanischen Republik angeführten Erklärung an, in der sie sich für eine Stärkung des Rechts auf Bildung aussprechen. Die Erklärung sieht ein ausdrückliches Recht auf mindestens ein Jahr kostenlose Vorschulbildung und eine kostenlose Sekundarschulbildung vor.

Als nächsten Schritt sollten sich alle EU-Mitglieder für einen neuen Menschenrechtsvertrag aussprechen, der das Recht jedes Kindes auf frühkindliche Bildung ausdrücklich anerkennt, einschließlich mindestens eines Jahres kostenloser Vorschulbildung, und das Recht auf kostenlose Sekundarschulbildung stärkt. Natürlich ist das ein ehrgeiziges Ziel, doch mit Luxemburg an der Spitze können wir es schaffen. Dann könnten in den kommenden Jahren Millionen von Kindern wieder zur Schule zu gehen.

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