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Eine Frau hält ihren einjährigen Sohn, der fast an Unterernährung gestorben wäre, in einem Krankenhaus in Mirbacha Kot, Afghanistan, 24. Oktober 2021. © 2021 AP Photo/Bram Janssen

Das öffentliche Gesundheitssystem in Afghanistan war schon vor der Rückkehr der Taliban an die Macht im August 2021 angeschlagen. Jahrzehntelang war es zu einem großen Teil von der Finanzierung durch internationale Geber abhängig. Seit der Machtübernahme durch die Taliban wurden jedoch die meisten Entwicklungsgelder gestrichen. Heute steht die Wirtschaft des Landes am Rande des Zusammenbruchs - und damit auch das Gesundheitssystem.

In den letzten zweieinhalb Jahren haben Millionen von Menschen ihre Arbeit verloren und Familien stehen vor schwierigen Entscheidungen: Geben sie das wenige Geld, das sie haben, für Lebensmittel aus oder gehen sie mit ihren unterernährten Kindern zum Arzt und kaufen Medikamente?

Es überrascht nicht, dass Afghanistans Frauen und Mädchen besonders hart von dieser Krise betroffen sind. Wie regelmäßige Leser*innen dieses Newsletters wissen, hat sich das Land zu einem der repressivsten Länder für Frauen und Mädchen weltweit entwickelt.

Seit mehr als zwei Jahren wird afghanischen Frauen und Mädchen der Zugang zu Schulbildung verweigert. Die meisten Ausbildungen für zukünftiges weibliches Gesundheitspersonal wurden daraufhin eingestellt. Dies hat zu lebensbedrohlichen Engpässen bei der Gesundheitsversorgung von Frauen geführt.

Schon vor August 2021 hatte Afghanistan nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten pro Kopf in Asien. Wenn die Hälfte aller potenziellen Medizinstudierenden nicht studieren darf, wird die Lage nur noch schlimmer. Kurz gesagt: Wenn in einem Land, in dem männliche Ärzte keine weiblichen Patientinnen behandeln dürfen, keine weiblichen Arbeitskräfte da sind, um den Frauen zu helfen, werden die Frauen höchstwahrscheinlich ganz ohne Hilfe dastehen.

Als wäre das nicht schon schlimm genug, wurden Ärzte in einigen Provinzen angewiesen, keine Patientinnen zu behandeln, die nicht von einem Mahram - einem männlichen Vormund - begleitet werden und nicht von Kopf bis Fuß bedeckt sind. Wie kann ein Arzt eine richtige Diagnose stellen, wenn er sie nicht untersuchen kann? Fühlen sich Frauen wohl, wenn sie ihre Krankengeschichte vor ihrem Vater, Onkel, Cousin oder Bruder preisgeben?

"Meine Familie wird das nicht verstehen", sagte Mehria A., eine Frau aus Nangarhar, die unter Depressionen leidet, meiner Kollegin Fereshta Abbasi, Afghanistan-Researcher bei Human Rights Watch, während der Recherche für ihren Bericht "'A Disaster for the Foreseeable Future': Afghanistan's Healthcare Crisis". "Ich wünschte, es gäbe vertrauliche Dienste für Frauen, damit ich sie aufsuchen könnte.

Ärztinnen müssen außerdem von einem männlichen Vormund begleitet werden - oft sogar bei der Arbeit. Das hat die Kosten für die Kliniken in die Höhe getrieben, da dem Vormund Essen und Transport bezahlt werden müssen, und erschwert gleichzeitig die Erbringung von Gesundheitsdiensten in den Gemeinden, da qualifiziertes Gesundheitspersonal, das keinen Mahram hat, nicht arbeiten kann. Und das alles, während die Menschen in noch größerer Not sind: Millionen von Kindern leiden an Unterernährung und Depressionen bei Frauen nehmen zu.

"Die beispiellose Wirtschaftskrise in Afghanistan hat dazu geführt, dass Millionen Menschen mit lebensbedrohlichen Zuständen konfrontiert sind", sagt Fereshta. "Die Situation erfordert mehr als humanitäre Hilfe, sie erfordert nachhaltige Anstrengungen, um einen weiteren wirtschaftlichen Niedergang abzuwenden und das immense Leid der afghanischen Bevölkerung zu lindern."

Die Reaktionen von Regierungen und internationalen Organisationen auf diese Krise sind jedoch dürftig, wenn nicht sogar apathisch. Es ist höchste Zeit, dass die Staats- und Regierungschefs den Menschen in Afghanistan zur Seite stehen und mehr Entschlossenheit zeigen, um das immer größer werdende Elend zu lindern, das das Leben unter den Taliban vor allem für Frauen und Mädchen bedeutet hat.

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